Hofschaft und Kotten
(Begriffe die nicht für
jeden verständlich sind) [please show the english version]
Da wir uns hier im internet befinden, unsere
Darstellungen also weltweit gelesen werden können, die Begriffe "Hofschaft"
oder "Kotten" allerdings kaum über die Grenzen des Bergischen Landes
hinaus wirklich geläufig sein dürften, erlaube ich mir an dieser
Stelle einen Erklärungsversuch: (wer mehr dazu weiß, möge
mich bitte informieren)
Kotten ¹
Mit ein wenig Fantasie kann man bereits die Wortverwandschaft zur norddeutschen
Kate oder zum englischen cottage nachvollziehen. Nun, im baulichen Sinn
sind Kotten zwar beileibe keine Hütten, im Gegenteil: aufgrund der
im Inneren waltenden Kräfte sehr viel stabiler gebaut als Wohnhäuser,
aber eben schlicht. Gebaut als Arbeitsplatz.
Da man sich in Solingen bereits recht früh auf die Bearbeitung
von Metall, insbesondere die Herstellung von Schneidwaren spezialisierte,
war es naheliegend, sich der Kraft der zahlreichen strömungsreichen
Gewässer zu bedienen und die ersten Kotten an Bach- oder Flussläufen
zu errichten. Wasserräder trieben die ersten Schmiedehämmer und
unzählige Schleifsteine noch lange Zeit nach der Erfindung der Dampfmaschine
an, einige bis zum heutigen Tag.
Eines der beiden Wasserräder des Wipperkottens an der Wupper
Durch die besondere topographische
Lage Solingens bedingt standen besagte Kotten meist weitab dessen,
was man damals vielleicht als Stadt bezeichnet hätte. Vielleicht kam
es durch diesen Umstand zur "Erfindung" der
Hofschaft
Irgendwo mussten die zahlreichen Schmiede, Schleifer, Pliester etc.
mit ihren Familien ja schließlich leben. Busse und Bahnen oder gar
Autos gab es nicht, so dass der tägliche Weg zur Arbeitsstätte
und zurück zu Fuß zu bewältigen sein musste. So entstanden
vermutlich die ersten Hofschaften als Lebensräume der Kottenarbeiter
in der Nähe dieser Kotten. Eine Hofschaft für jemanden zu beschreiben,
dem dieser Begriff völlig fremd ist, ist nicht leicht.
Die Hofschaft ist vergleichbar mit einem sehr kleinen Dorf, allerdings
ohne die für typische Dörfer selbstverständlichen Dinge
wie Lebensmittelladen, Kirche, Kneipe oder ähnlichem. Eine kleine
Ansammlung von Häusern, ein jedes mit kleinem Nebengebäude und
Garten. Schließlich reichte der Verdienst im Kotten nicht für
den gesamten Lebensunterhalt, so dass man im Garten Gemüse zog und
im Nebengebäude ein oder zwei Ziegen oder Schafe und ein paar Hühner
hielt.
Blick in die Hofschaft Wippe, mittig sind im Gemüsegarten
deutlich die Bohnen zu erkennen
Wer sich ein wenig mehr leisten konnte, hatte außer dem Gemüsegarten
noch einen "Baumhof", also ein Stück Land, auf dem Obstbäume gepflanzt
waren.
Natürlich hat es auch schon früh Kotten und damit auch Hofschaften
auf den Hügeln und somit in Stadtnähe gegeben. Diese waren aber
denjenigen vorbehalten, die nicht auf die Kraft des Wassers angewiesen
waren, wie z. B. Reider, Scherennagler oder Handwerker.
Händler hingegen siedelten meist nahe der damaligen "Ballungszentren".
Wenn man genau hinschaut, kann man selbst heute, im Jahr 2004, ganz nah
am Stadtzentrum noch Hofschaften entdecken.
Wenn mich jetzt jemand fragt, wie ich den Unterschied zwischen einer
Hofschaft und einer modernen Siedlung beschreiben würde, die Antwort
wäre: Die Siedlung ist in erster Linie als Wohnraum konzipiert, die
Hofschaft seit altersher als Lebensraum.
¹ Die Beschreibung gilt für den hiesigen Raum, in anderen Gegenden Deutschlands werden
auch kleine Bauernöfe o. ä. als Kotten bezeichnet. |